Caroline Armand, Wandlandschaft
Text von Kerstin Stamm, entstanden im Rahmen der Ausstellung "Wenn es dunkel wird, faltet sich alles zurück" im Pavillon am Milchhof, Berlin 2017
Caroline Armand hat ihr künstlerisches Schaffen in der Theaterwelt begonnen. Ihr Material ist der Stoff. Ihre Methode ein akutes, hochsensibles, exploratives Be- und Verarbeiten des Materiellen, mit anderen Worten: des stofflich Möglichen. Seit ihrem Wechsel der Branche - Armand ist Kostümbildnerin, dann Meisterschülerin und Absolventin der Hochschule der Bildenden Künste Saar, anschließend Stipendiatin der Akademie der Künste Berlin - widmet sich die Künstlerin konsequent der Erkundung des Räumlichen, mit anderen Worten: des stofflich Unfassbaren. Ihre Werke erkunden das Immaterielle.
Armands jüngste Arbeit konzentriert sich auf das Prinzip der Falte und des Faltens. Ihre Werke - Papier ist der Stoff - erschaffen und hinterfragen, eröffnen und verwehren sich zugleich einer kategorischen Ordnung des Räumlichen. Sie sind weder zwei-, noch dreidimensional. Die unbändige Faszination eines jeden Objekts für sich liegt in dem Besetzen ebendieser Schwelle. Konkret: jener Wand. In ihrem Weder-Noch, das tatsächlich ein Sowohl-Als-Auch ist, überschreiten Armands Objekte zudem eine weitere fundamentale Erfahrungsgrenze, nämlich die der formalen Trennung von Raum und Objekt. Die von der Künstlerin mit äußerster Präzision bestimmte Stelle der Platzierung eines jeden Objekts - der Berührungspunkt - im Raum wird zu einer dynamischen Öffnung, zu einem Übergang vom einen in das andere.
Gleichzeitig aus der Wand heraus und in sie hinein, sind Armands Faltobjekte von fesselnder Dynamik. Die Vertikalität ihrer Komposition ist zum einen zentral für das Kunstwerk, zugleich ist sie es nicht. Was ist hier Wand, oder schon Landschaft? Caroline Armand bezeichnet ihre Arbeit als „Wandlandschaft“. Die philosophische Tiefe des Begriffs und die Komplexität der Objekte sind sich gegenseitig beflügelnde Ergänzung. So wie jedes Objekt selbst sowohl Material als auch Methode, Teil eines Ganzen und dabei selbst ein Ganzes ist - das ruft unweigerlich das Prinzip der Fraktale in den Sinn, der Selbstähnlichkeit einer Formel, die sich in ihren Teilen selbst spiegelt -, so ist deren Ensemble vertikale Wand und horizontale Landschaft in einem: Raum und Bild zugleich.
Wie Caroline Armand im Gespräch über ihren Schaffensprozess erklärt, entstehen ihre Arbeiten als ein Ver-Äußern der inneren Landschaft. Im Sehen spiegelt sich dieser Prozess und wird zum inneren Begehen einer äußeren Landschaft. Mit der Installation ihrer Objekte an den Wänden - auf der Schwelle - gelingt der Künstlerin das Wunder, dem Betrachter, der Betrachterin, einen dritten Raum zu eröffnen, nämlich Zugang zu schaffen zu der unfassbaren Dimension genau zwischen dem eigenen Inneren und dem umgebenden Äußeren. Auf der Stelle zu bleiben und doch in dem Objekt einen anderen Raum zu begehen, bei dessen Betrachtung aus sich heraus zu gehen und dies doch allein innerlich - alles, was Caroline Armand für diese zauberhafte Aufführung braucht, ist der richtige Stoff an der richtigen Stelle.